Der Kuss des Meeres
Seegras flattert
im nasskalten Wind
auf feuchtem Boden
Deine raue, scharfkantige Schale
berührt hart
meine Lippen
Bereitwillig
lässt du dich öffnen
bevor dein Kuss
meine Zungenspitze berührt
du meinen Mund flutest
einnimmst, ausfüllst
Mit dir schmecke ich den Ozean
Spüre seine Wogen,
die mich kühl erfrischen
sein Salz
Schließe meine Augen –
der Spritzer Zitrone
ist die Sonne
die mit köstlicher Wärme
meinen Gaumen streichelt
Baltisches Meer
Hinter den Dünen
dort wo die Wellen sich brechen
ins Meer zurückrollen
dort wo die ständige Brise
Muster in den Sand zeichnet
dort wo sich die letzten
Halme des Strandhafers verlieren
dort wo der Wind kräftiger weht
dort sollte man horchen
wie das Wasser unermüdlich
Kieselsteine, Muschelschalen
durch die Brandung rollt
dort sollte man schweigen
den Rufen der Möwen lauschen
den Segeln,die im Wind schlagen
das Lichtspiel betrachten
wenn der Himmel das Wasser küsst
Schatten der Meeresvögel
über den Strand huschen –
Jede andere Sprache klänge zu banal
Aufgewacht
Aufgewacht
und da bist du –
spüre deine Wärme
mit meiner
Dein Atem kitzelt mich
Meine Küsse ankern
an deinen Lippen
Es entweicht ein Lachen,
das die Bettkante
hinunter purzelt
Tai Chi
Überraschend leicht,
biegsam schon fast elegant
in ihrer Bewegung –
riesige Lotosblätter
wogen wie Seide im Wind.
Blicke verweilen
rosa leuchtende Blüten
verneigen sich tief
an den Ufern des Westsees
bei Sonnenaufgang im Dunst.
Gestalten heben
ihre Arme zum Himmel,
einbeinig stehend
das schwarze Haar gebunden,
Mandelaugen geschlossen.
Der weiße Kranich
breitet seine Flügel aus,
stößt zu den sieben Sternen,
die Mähne des Wildpferdes
teilt sich in schwülwarmer Luft.
Berufung
Ich sehe das Wetter vorher
prüfe die Qualität der Matratzen
kenne alle Köche persönlich
Briefmarken habe ich leider keine
Bin mit den Hoteldirektoren auf du und du
Kann Streiks vorhersehen
beschreibe die Körnung des Sandes
Postkarten verkaufe ich nicht
Höre mir alle Krankengeschichten an
von Darmspiegelung bis Prostata
weiß wo Weihnachten Schnee liegt
Fotokopien macht der Copyshop
Suche die schnellste Verbindung
von Essen Eiberg nach New York
messe die Höhe der Palmen
Coffee to go gibt’s nebenan
Finde die besten Surfreviere
die billigsten Mietwagen
bestelle Kopfkissen Richtung Ost
Currywurst Pommes in Peking – leider nein
Behindere keine Kinder
die meinen Schreibtisch neu ordnen
empfehle die besten Hotels in Timbuktu
und ich weiß, wo der Pfeffer wächst
Letzter Besuch
Das geneigte Licht
wischt den letzten Tropfen Rot
ins Novembergrau
Nackte Baumkronen
spannen sich wie Sonnenschirme
über mich hinweg
Tränen zerrinnen
zwischen meinen Fingern
doch der Kummer bleibt
Fühle mich haltlos
bin verzweifelt hoffnungsvoll
wie ein Blatt im Wind
Werde noch einmal
mein Gedicht für dich lesen
Novemberkind
Mag nicht mehr ringen
um jede Sekunde mit dir –
keine Zeit gibt es nicht
Du flüchtiger Gast
Du bist lodernde Freude
Reißendes Warten
Meine Augen blinzeln
flüstern ganz zart, ganz nah
ich hab‘ dich lieb
Reich mir deine Hand
gleite über sehnende Haut
trinke meine Lippen
Die helle Venus
versinkt im sanften Morgengrau-
das Spiel ist aus
Für Michael
Sonnenuntergang
benetzt unsere Lippen
verstreicht Kupferrot
Spazieren Hand in Hand
kosten auf unserer Haut
Nachttautropfensüß
Gedankenumschlungen
probieren wir das Mondlicht
nicken den Sternen zu
Sprechen blaugrau
mit unser beider Augen
im Endlos versunken
Sehen nun genau
dass Blumen auch blühen
im nachtschwarzen Abend
Breiten das Laken aus,
wir wissen wie Musik schmeckt –
zwischen Stoff und Haut
Nahverkehr
Rotes Haar verschmilzt
mit dem Rot der S-Bahntür
unwirklich, unecht.
Zwei müde Mäntel
ineinander verflochten,
ein Knopf hängt schief.
Sie krault seinen Arm
mit schlanken weißen Fingern,
Nägel schwarz lackiert.
Gleiten über Schwarz
mechanisch rauf, runter
fast wie ein Uhrwerk.
Man ahnt das Reiben
auf dunklem, derbem Stoff.
Gleise schlucken Töne.
Der Daumen seiner Hand
berührt kaum wahrnehmbar
ihren Nacken.
Ich spüre, wie
winzige Härchen ihrer Haut
sich aufrichten.
Ein silbriger Ohrring
schaukelt im Rhythmus der Bahn-
Gesicht an Gesicht.
Im überfüllten Zug
ein Stehplatz der Zweisamkeit
auf zugigem Gang.
Liebe ist leise
Liebe ist leise,
schön wie Tautropfen im Licht,
unvergleichlich bunt
Liebe ist leise,
breitet ihre Flügel aus,
berührt dich sanft
Liebe ist leise,
komponiert tonlos Musik,
unüberhörbar
Liebe ist leise,
lautlose Spuren im Schnee,
unübersehbar
Liebe ist leise,
rinnt rot die Kehle hinab,
wie köstlicher Wein
Liebe ist leise,
weckt Verlangen durch Blicke,
braucht keine Worte